Beobachtungen aus dem Bregenzerwald

2. Teil: Roboten für die Kulturlandschaft

Dass die Genossen in Schoppernau den Roboter, der seit neuestem im Käsekeller der Sennerei die zentnerschweren Laibe wendet und mit Salzlake putzt, zu Ehren des Gründers Franzmichel genannt haben, ist sicher gut gemeint, wirkt aber angesichts seiner recht stumpfsinnigen Tätigkeit etwas unangemessen. Fest steht, sie verstehen ihr Handwerk, denn der „F.M. Felder-Bergkäse“ ist wirklich lecker: Er entwickelt in seiner einjährigen Reifezeit ein kräftiges, komplexes, aber harmonisches Aroma und einen ungewöhnlichen Schmelz. Bei der touristischen Verwertung ihrer Käsekunst scheinen die Wälder Senner keine Grenzen zu kennen. Verkostungen, Führungen, Besichtigungen in den Sennereien entlang der ausgeschilderten „Bregenzerwälder Käsestraße“, das sieben Tage die Woche geöffnete „Bregenzerwälder Käsehaus“ – das sieht zunächst ein bisschen nach Ranschmeiße aus, hat jedoch einen tieferen Sinn, und ist eines der erfolgreichsten Beispiele für ökologisch und kulturell sinnvolles Regionalmarketing, das ich kenne. Ohne den Zusammenschluß der Bauern, Senner, Kaufleute und Gastwirte zum Trägerverein der Käsestraße wäre es angesichts der EU-geförderten Massenproduktion von Lebensmitteln nicht möglich gewesen, die aufwendige Heumilchwirtschaft und die unmittelbar von ihr abhängige Kulturlandschaft der Vorsäße und Hochalpen zu erhalten. Heute gehört der Bregenzerwald zu den größten zusammenhängenden Produktionsgebieten von Heumilch, der Bergkäse hat sich seinen verdienten Platz in Europas Käsetheken erobert:

„Nur mehr 2 % der EUMilchbauern produzieren silofrei, der Bregenzerwald als größte zusammenhängende silofreie EU-Region kann also mit seinem Käse ein reines Naturprodukt von hoher Qualität liefern. Von den 2,4 Mrd. Liter silofreier EU-Milch kommen 45 Mio. Liter aus dem Bregenzerwald,“

lässt uns der Verein auf seiner Website wissen.  Wenn man dann auf einer der vielen bewirtschafteten Hochalpen in der Sonne sitzt, die Sennerin eine Buttermilch und eine Käsestulle kredenzt und alles unglaublich gut und urtümlich schmeckt, fragt man sich schon, ob das alles nicht fast zu schön ist, um wahr zu sein. Und, was eigentlich zuerst da war: Die vielen bewundernswerten Dinge im Musterländle Vorarlberg, oder der Lokalpatriotismus, der ungewöhnlich ausgeprägt erscheint.
Gerne kolportiert man hier die Legenden aus der „freien Wälder Bauernrepublik“, als die Bregenzerwälder bis zur Neuordnung Europas durch Napoleon 1804 als „Landschaft“ direkt dem Kaiser untertan waren und sich weitgehend bürokratiefrei selbst verwalteten. Entscheidungen, so wird überliefert, wurden von einem Rat getroffen, der sich in Bezau in einer Halle auf Säulen traf, und mit begrenztem Vorrat an Wasser und Nahrung solange tagen musste, bis ein einstimmiges Votum vorlag. Wer solche Mythen pflegt, wird sich mit Anträgen auf Milchquote schwertun. Dabei waren die Wälder keine Hinterwäldler: Nachdem die abgeschiedene Lage sie im dreissigjährigen Krieg weitgehend verschont ließ, wurde das Knowhow der hiesigen Handwerker und Baumeister für den Wiederaufbau zum begehrten Exportartikel. Die Angehörigen der Auer Zunft beglückten das Europa des Barock mit Bauten wie den Klosterkirchen Birnau oder Obermarchtal. Auch heute gilt Vorarlberg wieder als Architekturwunderland und der Bregenzerwald als eine Keimzelle dieses Wunders. Öffentliche Neubauten vom Bushäuschen über Rat- und Feuerwehrhäuser bis zu Heimatmuseen und Einkaufszentren zeigen beneidenswerte architektonische Qualität und – meist in Holzbauweise ausgeführt – überragende Handwerkskunst. Selbst die schlichte Ferienwohnung ohne architektonischen Anspruch im Bauernhaus: Makellose Schreinerarbeit bis ins Detail.

Teil 1

Teil 3