Wann haben Sie das letzte Mal ein Semikolon gesetzt? Nicht nur Nostalgiker beklagen hier einen Verlust an Ausdrucksreichtum der Sprache, denn der Strichpunkt ist in freier Wildbahn immer seltener anzutreffen. Grundsätzlich verzichten erschreckend viele Autoren auf die Möglichkeiten, mit Satzzeichen Rhythmus und Dramatik zu schaffen oder einer Argumentation auf die Sprünge zu helfen: Da findet sich kein Doppelpunkt, nirgends – geschweige denn ein Gedankenstrich; wo käme man da hin! Nach diesem recht durchsichtigen Stück Satzzeichen-Posing doch noch ein ernsthaftes Plädoyer für den Luxus, in der Sprache nicht nur Regeln zu befolgen, sondern auch Entscheidungen zu treffen. Denn darum geht es beim Gebrauch des Semikolons, dessen Trennkraft irgendwo zwischen Komma und Punkt oszilliert. Der Duden klärt über die korrekte Verwendung auf:

„Da sich nicht eindeutig festlegen lässt, wann dies der Fall ist, liegt die Setzung eines Semikolons weitgehend im Ermessen des Schreibenden.“

…im Ermessen des Schreibenden! Dass man sowas nochmal lesen darf, nachdem man als Berufsschreiber bereits die Entwertung des mühsam trainierten Orthografiegefühls durch die sogenannte Rechtschreibreform erleben musste. Weil ich meine Entscheidungsspielräume sehr schätze, schätze ich auch das Semikolon und habe mich immer bemüht, in Publikationen unter meiner Regie doch mindestens ein oder zwei der Dinger hineinzuschmuggeln. Ganz allein scheine ich mit meiner Marotte noch nicht zu sein, auch Johannes Waechter singt in der Süddeutschen ein Loblied auf den Strichpunkt. Ist das Semikolon elitär? Und wenn schon – solange es ihm das Überleben in der Nische sichert. Ich bleibe ihm treu, dem Strichpunkt, Punkt.