Ein Kommentator meines Artikels „Auf der Suche nach dem sauren Joghurt“ machte mich auf einen interessanten Vorgang aufmerksam: Klammheimlich, still und leise deklariert der Campina-Konzern sein von mir bislang geschätztes und im Artikel lobend hervorgehobenes Produkt „Landliebe Joghurt Original 3,8%“ um und druckt jetzt auf seine Fläschchen: „Joghurt Mild“. Wenn hier tatsächlich eine langjährige Bastion des sauren Bulgarica-Joghurt gefallen ist zugunsten des austauschbaren und gesichtslosen „Joghurt mild“, wäre das ein Jammer. Es muß irgendwann seit Februar dieses Jahres passiert sein; die damals von mir fotografierten Becherchen sind noch schlicht mit „Joghurt aus Vollmilch“ deklariert. In der Zwischenzeit habe ich das Produkt in unregelmäßigen Abständen konsumiert und muß zugeben: Eine Veränderung ist mir geschmacklich nicht aufgefallen! Das ist natürlich ein Problem der Gewöhnung: Ein vertrautes Produkt verkostet man meist nicht sorgfältig pur, sondern rührt es guten Gewissens unter Obst, Honig und Haferflocken; etwaige Geschmacksunregelmäßigkeiten schiebt man auf die Milch, auf das Wetter oder das eigene Befinden. Nun ist es passiert, und ein direkter Vergleich alt gegen neu ist im Nachhinein leider nicht mehr möglich.

joghurt-6822-2joghurt-8355-2Links alt, rechts neu: Irgendwann zwischen Februar
und August hat Landliebe die Deklaration geändert.

Um der Sache dennoch auf den Grund zu gehen, habe ich eine kleine Verkostung für mich arrangiert, bei der der „Landliebe Joghurt Original“ in aktueller Rezeptur gegen den „Schwälbchen Echt Bulgara Joghurt 3,5% Fett“ von der Schwälbchen-Molkerei Bad Schwalbach antreten durfte. Hier meine Notizen:

„Landliebe Joghurt Original“, 3,8% Fett im 200g-Becher, MHD 21.08.2013

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  • Aussehen: Oberfläche stichfest mit schaumigen Spuren
  • Duft: schwach frisch
  • Textur: stichfest, leicht rau
  • Aroma: Frisch, leicht käsig, sauberer Abgang
  • Säure: Dezent säuerlich

„Schwälbchen Echt Bulgara Joghurt 3,5% Fett“, 200g-Becher, MHD 19.08.2013

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  • Aussehen: Oberfläche stichfest, glatt, mit etwas Molke
  • Duft: Frisch, aromatisch säuerlich
  • Textur: stichfest, glatt
  • Aroma: Frisch, joghurtypisch rein, sauberer Abgang
  • Säure: Dezent säuerlich

Wie man sieht, hat sich das als „Joghurt Mild“ deklarierte Landliebe-Produkt recht wacker geschlagen. Es scheint mir, dass die stichfeste Reifung im Becher auch den „milden“ Kulturen mehr Aroma und Säure entlockt als es bei den gerührten Joghurt-Mild-Varianten der Fall ist. Zwar gefällt das Schwälbchen-Produkt bei Duft, Textur und Aroma schon etwas besser als der „Landliebe“, aber erstaunlicherweise kann sich der „Original-Joghurt für echte Kenner“ – so das Schwälbchen-Marketing – hinsichtlich des Säuregrades nicht von seinem neuerdings milden Konkurrenten absetzen. Insbesondere, wenn man wie ich erst einen 1-Liter-Kübel Gazi-Joghurt hinter sich hat, der nun wirklich quietschsauer ist.

Bleibt die Frage, was kaufen? Der Schwälbchen ist in Ordnung, dürfte aber schon etwas saurer sein. Der Landliebe: Nur noch Mittelmaß, für einen „milden“ gut, aber eben kein „Original“ mehr. Er bleibt eine Option aufgrund seiner mittlerweile so guten Verfügbarkeit.

Ein weiterer Newcomer aus Bayern, der „Joghurt Natur Stichfest“ mit Bulgaricuskulturen und naturbelassenem Fettanteil von der Molkerei Berchtesgadener Land – von der Papierform her ein schönes Produkt – hatte bei einer Probe vor einigen Wochen für meinen Geschmack ein etwas zu starkes, käsiges Fremdaroma. Bleibt der bewährte „Domspitz“, oder eben Gazi – wenn man sich mit dem gerührten Zustand arrangieren kann. Nächster Schritt: Ich werde einen türkischen Supermarkt aufsuchen und nach stichfestem 3,5%-Joghurt fahnden. Laut Gazi-Website müsste es da was geben (genau genommen, von der Schwestermarke Ömür). Ausserdem plane ich, mal bei Landliebe/Campina nachzufragen, welche Motive zu der Umdeklarierung führten. Ebenfalls noch auf der Agenda: Befragung eines Experten zu den Hintergründen der Joghurt-Mild-Epidemie, insbesondere hinsichtich Wirtschaftlichkeit und Prozesssicherheit. Fortsetzung folgt!

Nachtrag, 12.8.2013

Entwarnung von Landliebe: Die Deklaration „Joghurt mild“ beim „Landliebe Joghurt original 3,8%“ ist ein Fehler auf dem Etikett, die Rezeptur ist weiterhin unverändert – so informiert mich der Kundenservice des Unternehmens heute. Die fehlerhafte Etikettencharge werde aufgebraucht und der Fehler dann wieder rückkorrigiert. Ich bin gespannt. Soviel zum Thema „Zuverlässigkeit von Deklarationen bei Lebensmitteln“…

Die Verkostungsergebnisse bleiben davon unberührt; im Gegenteil, damit erklärt sich einerseits, warum mir keine Geschmacksveränderung aufgefallen war und andererseits, warum sich der Schwälbchen Bulgaricus in der Säure nicht vom Landliebe absetzen konnte.

 

Zum 1. Teil: Auf der Suche nach dem sauren Joghurt

Zum 3. Teil: Kauf türkisch, kauf regional!