Meine Artikel über die Jagd nach dem sauren Joghurt sind mit Abstand die meistgelesenen auf diesem Blog. Daher eine neue Fortsetzung dieses Dauerbrenner-Themas, diesmal mit dem Fokus auf die Joghurts aus türkischen Supermärkten.
Seit ich in Offenbach lebe, hat sich die Versorgungslage mit Joghurt, der so schön sauer wie früher schmeckt, weitgehend entspannt: Hier gibt es an jeder Ecke türkische Supermärkte und sie bieten in der Regel ein breites Sortiment von Joghurt, der nicht dem weichgespülten Geschmack der deutschen Durchschnittsverbraucher entspricht. Meine beiden Töchter haben sich inzwischen ebenfalls zu begeisterten Joghurt-Frühstückerinnen entwickelt, sodass die dort üblichen Gebindegrößen von 1kg aufwärts kein Problem darstellen – sondern eher die Sicherung des kontinuierlichen Nachschubs… betrachten wir also einmal die verschiedenen Angebote der Ethno-Food-Anbieter.
Favorit der türkischstämmigen Zielgruppe ist die Marke GAZI, deren Joghurt in den Fettstufen 3,5% und 10% auch in den normalen Supermärkten hierzulande inzwischen oft zu finden ist. Wie bereits in einem früheren Blogbeitrag geschrieben, sind das prima Produkte, allerdings gerührt und nicht stichfest, wie ich persönlich den Joghurt bevorzuge. Aus der gleichen Unternehmensgruppe stammt der stichfeste 3,5-Prozenter der Marke Ömür – mit 1,60 € bis 2 € für den Kiloeimer meist günstiger eingepreist als das gerührte GAZI-Pendant. Sensorisch überzeugt der Ömür auf ganzer Linie: Frisch, klar, definiert sauer, glatte Konsistenz. Aber es geht noch billiger: Unter der Marke „Marmara“ segelt ebenfalls ein stichfester 3,5-%-Joghurt, den man sogar für 1,50 € finden kann. Auch dies ein qualitativ hervorragendes Produkt.
Nun wird natürlich ein erklecklicher Teil der Waren in türkischen Supermärkten tatsächlich aus dem Orient importiert – was etwa bei stillem Quellwasser schon ziemlicher Irrsinn ist. Ich kann alle Umwelt- und Joghurtfreunde dahingehend beruhigen: Joghurt nach türkischer Art wird als Frischprodukt zum Glück nicht quer über den Balkan gekarrt, sondern von hiesigen Molkereien für den morgenländischen Geschmack produziert. Wo genau, lässt sich durch das EU-weit vorgeschriebene sogenannte „Genusstauglichkeitskennzeichen“ zurückverfolgen. Das kleine Oval auf dem Eimer verrät Herkunftsland und bei deutschen Produkten das Bundesland in selbsterklärenden Abkürzungen; die exakte Produktionsstätte ist als Zahl codiert, die sich aber per Google meist blitzschnell entschlüsseln lässt.
Die Ergebnisse sind ausgesprochen erfreulich: So stammen Gazi und Ömür mit dem Code BW 056 aus der Molkereigenossenschaft Hohenlohe-Franken eG in Schrozberg. Die Fahrtstrecke von dort ins Rhein-Main-Gebiet beträgt rund 160 Kilometer, nunja, nicht mehr wirklich regional – aber auch keine Weltreise. Heilbronn, die Produktionsstätte von Landliebe Joghurt Original, ist weiter entfernt auch nicht näher. Die Molkerei macht auf ihrer Website gar keinen Hehl aus der Lohnproduktion für den Stuttgarter Ethnofood-Konzern Garmo AG und bildet die entsprechenden Produkte im Foto ab. Das interessanteste aber ist: Die gleiche Molkerei führt auch einen bedeutenden Bio-Zweig unter dem Demeter-Siegel! Anders formuliert, wer Gazi aus dem türkischen Supermarkt trägt, stützt damit die Existenz einer Bio-Molkerei – das ist schon eine Überraschung. Die Milch für die konventionellen Produkte liefern laut Molkerei-Website ganz vorwiegend die Mitglieder der Genossenschaft mit ihren Milchhöfen im Hohenlohischen.
Während Zentrale und Vertrieb von Marmara bei Düsseldorf angesiedelt sind, kommt der Joghurt der Marke ebenfalls aus Süddeutschland: Der Code BY 602 verrät die Herkunft aus der Molkerei „Frankenland“ in Würzburg, ein Standort der Bayerischen Milchindustrie e.G. Dieser Joghurt punktet bei mir damit, dass er mit 115 Kilometern weniger Fahrtstrecke auf dem Buckel hat; die Molkerei liegt tatsächlich noch knapp innerhalb eines 100km-Radius um Offenbach und wäre damit als „regional“ anzusehen.
Wer hätte das gedacht – beim Türken an der Ecke Joghurt holen ist also nicht nur eine schöne Gelegenheit, ethnische Vorurteile abzubauen und die Lust am pikanten Geschmack zu pflegen, sondern stellt auch bewussten, regionalen Konsum dar, respektive unterstützt indirekt die biologische Milchwirtschaft. Da schmeckt das Müsli doch nochmal so gut!
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Zum Teil 1: Auf der Suche nach dem sauren Joghurt
Zum Teil 2: Saurer Joghurt – reloaded