Beobachtungen aus dem Bregenzerwald
1. Teil: Local Hero
Das kleine Dorf Schoppernau im Bregenzerwald ist nicht nur ein lauschiges Plätzchen für einen Familienurlaub auf dem Bauernhof, sondern bietet unerwartet auch geistig Anregendes. Keine hundert Meter dorfeinwärts von unserem Domizil befand sich das Geburtshaus von Franz Michael Felder, und dass dies ein großer Sohn des Dorfes war, daran lässt die Benennung der örtlichen Mehrzweckhalle, des Spitzenprodukts der Dorfsennerei, eines kleinen Museums sowie diverser Sträßchen und Gässchen nach ihm keinen Zweifel.
Die nähere Beschäftigung – ein biographischer Roman über Felder findet sich auch im Bücherregal der Wirtsleute – fördert doch Bemerkenswertes zutage. In ein kurzes, stürmisches Leben im 19. Jahrhundert drängen sich Bildungs- und Lebenshunger, Rebellion gegen Klerus und wirtschaftliche Zwänge, enorme literarische und politische Produktivität, Liebesheirat und Kindersegen, dramatische Unfälle und schließlich tödliche Krankheit. Felder wurde 1839 als Bergbauernsohn geboren und als er 1869, keine 30 Jahre alt und nur wenige Monate nach seiner Frau, an Tuberkulose starb, hinterließ er einerseits mehrere publizierte Romane, autobiografische Skizzen, Gedichte und politische Pamphlete, andererseits fünf Vollwaisen, vor allem aber – und das wirkt bis heute nach – die erste öffentliche Bibliothek, gegen erbitterten Widerstand des Dorfpfarrers, und die erste genossenschaftlich organisierte Dorfsennerei, gegen den erbitteren Widerstand der „Käsgrafen„, Großbauern, die den Käsehandel monopolisiert hatten und den Kleinbauern die Milchpreise diktierten.
Die Sennereigenossenschaft existiert heute erfolgreicher denn je, Felders Portrait ziert ihre Fassade und das Etikett des 12 Monate gereiften Bergkäses. Wer sich fragt, warum Felder auf diesem zeitgenössischen Portraitfoto so scheel guckt: Er hatte eine angeborene Sehbehinderung, die durch Fehlbehandlungen im Kindesalter noch verschlimmert wurde – er war also auch noch halb blind. Kurz, die gesamte Geschichte des Franzmichel Felders ist faszinierend und streckenweise kaum zu glauben. Wer sich fragt, wieviel ein einzelner Mensch bewegen kann, und von Steve Jobs gerade mal die Nase voll hat, sollte sich ruhig einmal diesem unglaublich spannenden Lebenslauf zuwenden.
Hans Haug
3. März 2013 @ 17:16
Als ich vor vier Tagen über die Grenze bei Bregenz nach Österreich fuhr, hielt ich in einem Geschäft an, in das ich immer wieder schaue, wenn ich auf der Durchfahrt bin.
Hier entdeckte ich ein meiner Meinung nach sehr schönes Buch: ALLMEINDE Vorarlberg, von der Kraft des gemeinsamen Tuns, Rita Bertolini, Bertolini Verlag Bregenz, 2012 .
In diesem Buch erfährt man auch einiges über den oben genannten Franz Michael Felder. Es ist beeindruckend was er in seinen wenigen Lebensjahren erarbeitet hat.
Auf seine Aktivitäten geht auch u.a. nach seinem Tod, die sich ausbreitenden Genossenschaftsbewegung in Vorarlberg zurück, die auch in Anbetracht des globalen aktuellen Wirtschaftseinbruchs wieder an Bedeutung gewinnen.
Dabei wird auch auf die regionale Ökonomie hingewiesen, ohne auf die ökologischen Aspekte extra hinzuweisen, die von großer Bedeutung sind.
Hilfe zur Selbsthilfe ist u.a. ein zentraler Aspekt auf den dieses Buch (auch Bildband mit beigelegter CD) zurückgreift.
Dies finde ich eine erleichternde Perspektive im Hinblick auf das Ziel meiner Reise: Italien. Hier erhoffen sehr viele Menschen von Figuren wie Berlusconi und Grillo irgendwelche Wunder.
Franz Michael Felder hatte Schwierigkeiten mit Vertretern der örtlichen katholischen Kirche – Berlusconi und Grillo dagegen nicht – … .